Mittwoch, 22. April 2020

Hat die überhaupt 'ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten - Claudia Neumann

Claudia Neumanns Buch „Hat die überhaupt ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten“ ist in mehrerlei Hinsicht kein einfaches Buch. Es ist eine Mischung aus Autobiografie und Sachbuch, beschreibt den beruflichen Werdegang der Sportreporterin, also vor allem ihr Wachsen und Werden in einem bis vor einiger Zeit überwiegend von Männern dominierten Beruf und ihre Probleme damit. Die meisten Leser erinnern sich an die Hass-Kommentare, denen sich die Autorin ausgesetzt sah, vermutlich hat der eine oder andere das Buch nur deshalb gelesen, weil er sich ein bisschen Hintergrund-Information dazu erhoffte. Auf den eigentlichen Inhalt möchte ich daher gar nicht eingehen, der ist wohl hinlänglich bekannt.

Erschreckend, aber nicht überraschend ist, dass in so vielen Bereichen immer noch ein antiquiertes Welt- und Frauenbild herrscht. Die Kommentare, denen sich Claudia Neumann ausgesetzt sieht (Hasskommentare verfolgen sie wohl seit der EM 2016 ständig), sind weit abseits von sachlicher Richtigkeit, sondern ausschließlich geprägt von Chauvinismus und Macho-Denken. Fehler, die in ihrer Berichterstattung vorkommen (wie bei jedem anderen Menschen in jedem Beruf auch), wiegen bei ihr viel schwerer als bei den Kollegen.

Und so ist ihr Buch sowohl eine Autobiografie als auch eine Aufforderung an alle (jungen) Leserinnen, für ihre Träume einzustehen und dafür zu kämpfen. Aber auch ein Hinweis an alle Leser, umzudenken, sich auf eine sachliche Ebene zu begeben und das anzuerkennen, was Fakt ist: Frauen gehören beileibe nicht nur an den Herd. Allerdings: das Thema „Herd“ greift die Autorin am Schluss noch einmal auf. Sie kocht nämlich tatsächlich gern, Kollegen kommen zu diesem Thema auch zu Wort und selbst ihr Lieblingsrezept darf nicht fehlen.

Stilistisch ist das Buch das Werk einer gelernten Journalistin, knapp und sachlich. Es ist in Über- und Unterkapitel gegliedert, wobei die Überkapitel mit 1:0, 2:0 und so weiter durchnummeriert sind. Abseits ihrer eigenen Geschichte und Erfahrungen mit Hasskommentaren vor allem in den sozialen Medien beleuchtet sie die Erfahrungen anderer mit Drohungen und zum Teil übelsten Beleidigungen. So nennt sie beispielsweise Renate Künast, Marcel Reif oder Dunya Hayali und deren teilweise auch seltsamen Erfahrungen vor Gericht. Und auch die Tatsache, dass es im Leben von (mehr oder weniger) Prominenten Sonnen-, aber auch Schattenseiten gibt, lässt sie nicht aus. Boris Becker und Jan Ullrich sind da zwei der Beispiele. Und sie listet auch eine Reihe Frauen auf, die ihren Platz in der Fußballwelt gefunden haben und behaupten, wie Birgit Prinz und Bibiana Steinhaus.

Aber alles in allem ist es zwar ein wichtiges und richtiges Buch, aber kein gutes. Es ist sprachlich zum Teil holprig und manche Exkurse der Autorin, so interessant und lehrreich sie sein mögen, gehören einfach nicht zum Thema („Die Live-Übertragung – ein kleiner Exkurs“). Da wäre mehr drin gewesen. Allerdings wäre das Buch ohne sie noch kürzer ausgefallen und hätte in einer guten Zeitschrift vermutlich einen hervorragenden Essay abgegeben. Daher kann ich für das Thema und seine Ausarbeitung fünf, für den Rest aber nur einen Stern vergeben, in der Summe also 3.

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