Montag, 20. Juli 2020

Die Organisation des Terrors. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943 - 1945 - Dr. Matthias Uhl u. Koll.

Mit „Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945“ hat der Historiker Dr. Matthias Uhl zusammen mit seinen Kollegen Thomas Pruschwitz, Martin Holler, Jean-Luc Leleu und Dieter Pohl unglaubliches geschafft. Er hat den lange verschollen geglaubten Terminkalender von SS-Chef Heinrich Himmler aufbereitet, „entschlüsselt“ und der Leserschaft zugänglich gemacht. Grundlage für die Edition bilden die überlieferten Terminblätter des Dienstkalenders aus dem Zentralarchiv des russischen Verteidigungsministeriums, dazu kamen sein Tischkalender und seine handschriftlichen Telefonnotizen. Das war in mehrerlei Hinsicht kein einfaches Unterfangen, denn zum einen schrieb Himmler in einer Art „Geheimschrift“, einer Mischung aus Sütterlin und lateinischer Schreibschrift, zudem galt es Abkürzungen und Zeichen zu entschlüsseln. Und dazu dann noch der Inhalt der Kalender aus der Zeit zwischen dem 1.1.1943 und dem 15.3.1945. Absolut keine leichte Kost.

Denn in diesen 26,5 Monaten skizziert Himmler nahezu lückenlos überliefert und in mageren Worten Triviales aus seinem Leben neben Aufzeichnungen zu Krieg und Holocaust. Nur für sechs Tage gibt es in dieser Zeit keine Einträge. „Telefonat mit Mami und Püppi“ (mit seiner Frau und seiner Tochter) finden sich da neben Frisör- und Massageterminen und Ausflügen zu seiner „Zweitfamilie“ nach Mecklenburg (er hatte mit seiner ehemaligen Sekretärin zwei uneheliche Kinder) auch Besprechungen zur Vernichtung der Juden und Termine zu Besuchen in Konzentrationslagern (wie beispielsweise am 12. Februar 1942 in Sobibor) sind vermerkt. Wie penibel der Kalender geführt wurde, zeigt, wie pedantisch Himmler als Mensch war. Und ebenso akkurat durchgeplant wie seine Tage, so sollte auch Völkermord vonstattengehen. Er war einerseits der große Strippenzieher hinter dem Schreibtisch, besuchte und besichtigte aber auch die Stätten der Gräueltaten.

Die Aufarbeitung der Kalender war eine enorme wissenschaftliche Leistung. Dass dabei kein Roman herauskommen kann, war von vornherein klar. Das Buch ist ein verstörendes Dokument. So viel Gewalt, Leid und Menschenverachtung in so mageren Worten. Dazwischen die Einordnung der Autoren/Herausgeber. Das Buch kann man nicht einfach so lesen. Man muss immer wieder Pausen machen, eventuell das eine oder andere auch selbst noch recherchieren, um die politisch-zeitliche Einordnung nachzuvollziehen. Damit wird es zu einer gelungenen Mischung aus Sach-, Fach- und Geschichtsbuch und eine Grundlage für weiterführende Lektüre. Ein Buch, das betroffen, nachdenklich, vielleicht auch wütend macht. Von mir eine ganz klare Lese-Empfehlung für historisch interessierte Leser, die sich eventuell für besseres Verständnis gerne auch über das vorliegende Buch hinaus weiter in das Thema einarbeiten wollen. 5 Sterne.

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