Donnerstag, 18. Februar 2021

Abhängigkeit - Tove Ditlevsen

„Abhängigkeit” ist der deutsche Titel des dritten und letzten Teils von Tove Ditlevsens autobiografischer „Kopenhagen-Trilogie“. Im Original hieß das Buch „Gift“, also „verheiratet“ – beide Titel passen exakt zum Inhalt des Buchs. Denn es dreht sich um Toves Ehen und ihre Abhängigkeit, sowohl die Abhängigkeit von Männern, als auch von Drogen. Insgesamt war sie viermal verheiratet. Dieses Buch ist in zwei Teile gegliedert, der erste umfasst ihre ersten beiden Ehen, der zweite ihre Sucht und ihr Verhältnis mit und zu ihrem dritten Mann.

Tove wähnte sich am Ziel ihrer Träume, als der 30 Jahre ältere Verleger Viggo F. Møller sie heiratet. Aber die Ehe ist für sie mehr ein Gefängnis, denn ihr Mann ist geizig und ihr gegenüber eher gleichgültig. Sie ist oft froh, wenn er die gemeinsame Wohnung verlässt und sie flüchtet sich schnell in die Arme von Piet, einem Mitglied ihres Schreibzirkels „Klub der jungen Künstler“, dem sie vorsteht. („Dann ist »Der Club der jungen Künstler« Realität geworden, und das Leben hat wieder an Farbe und Fülle gewonnen.“). Piet hilft ihr, sich aus der unglücklichen Ehe zu befreien und nach zwei Jahren lässt Tove sich scheiden.

Ihre Tochter Helle bekommt Tove dann aber nicht mit Piet, sondern mit dem gleichaltrigen Studenten Ebbe Munk, doch auch die beiden lassen sich nach kurzer Zeit wieder scheiden. Und auch ihre dritte Ehe, mit dem Arzt Carl T. Ryberg, ist nicht glücklich und kostet sie beinahe das Leben, denn durch ihn kommt sie erstmals an Drogen. Den Grundstein für ihre Drogensucht legte Ryberg schon kurz nach ihrem Kennenlernen, als er beginnt, ihr nach ihrem zweiten Schwangerschaftsabbruch regelmäßig Pethidin zu spritzen. (»Wenn ich wiederkomme«, sage ich langsam, »bekomme ich dann noch so eine Spritze?« Er lacht laut und reibt sich das vorstehende Kinn. »Tja«, sagt er, »wenn es dir so gut gefallen hat? Du hast ja nun wirklich nicht das Zeug zur Drogensüchtigen.«) Tove heiratet ihn und bekommt ein Kind von ihm, um ihn an sich zu binden. So hat sie jederzeit Zugang zu den Drogen, nach denen sie inzwischen süchtig ist (»Jederzeit«, sagte ich, weil ich dachte, wenn ich erst mit ihm verheiratet wäre, würde ich ihn viel leichter dazu bringen, mir meine Spritzen zu geben. »Könntest du dir vorstellen, noch ein Kind zu bekommen?«, fragte er, als er mich die Treppe hinunterbegleitete. »Ja«, antwortete ich umgehend, denn durch ein Kind würde ich mich enger an ihn binden…“) Ihre Gedanken kreisen nur noch um Pethidin und Methadon (für das sie Rezepte fälscht), Schreiben ist ihr zum ersten Mal im Leben völlig gleichgültig („Ich hatte gerade meinen Erzählband abgegeben und überhaupt keine Lust zum Schreiben. Ständig dachte ich nur daran, wie ich Carl dazu bewegen könnte, mir wieder Pethidin zu geben.“) und auch ihre Kinder interessieren sie zeitweise überhaupt nicht mehr („Als ich wieder allein in meinem Bett lag, fiel mir auf, wie lange ich meine Kinder schon nicht mehr gesehen hatte.“)

Es ist ein bedrückendes Buch über eine Frau, die ihrem Glück hinterherjagt, es scheinbar findet und kurz vor dem Ziel in der Drogensucht endet. Tove Ditlevsen schildert ihre Sucht und auch die illegalen und zweifelhaften Methoden, an ihre Drogen zu kommen ebenso schonungslos wie die Tatsache, dass sie ihre Kinder vernachlässigt. Man möchte sie bei der Lektüre abwechselnd schütteln und in den Arm nehmen, mit ihr schimpfen und sie trösten und fühlt sich manchmal ebenso hin- und hergerissen, wie sie selbst. Als sie zum Ende des Buchs Victor trifft, hatte ich Tränen in den Augen. Einerseits, weil ich ihr von Herzen gewünscht hätte, dass sie endlich glücklich wird und ihre Erfüllung findet – aber da ich ihre Biografie kenne, wusste ich es schon beim Lesen besser. Ein ehrliches Buch, wie auch die beiden anderen Teile ihrer Kopenhagen-Trilogie und von mir eine ganz klare Lese-Empfehlung für alle drei. 5 Sterne.

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