Dienstag, 23. Februar 2021

Wenn es dunkel wird - Peter Stamm

Peter Stamm war mir vor der Lektüre seiner Anthologie „Wenn es dunkel wird“ kein Begriff. Und da mich die 11 Kurzgeschichten der Sammlung sehr zwiegespalten zurücklassen, wird er mir wohl auch nicht wirklich im Gedächtnis bleiben. Schlecht ist das Buch nicht, aber von den Geschichten treffen nur sehr wenige meinen Geschmack.

Peter Stamms Geschichten handeln von augenscheinlich „normalen“ Menschen, Menschen wie du und ich. Die Lebensläufe aller Protagonist:innen weisen Brüche auf, alle stehen an irgendeinem Wendepunkt in ihren Leben. Die Wendungen, die ihre Lebenswege danach nehmen, sind oft banal und vorhersehbar, manche aber durchaus skurril, manche fast surreal, und überraschend. So schafft es der Autor auch, eher einfache Geschichten über einfache Menschen zu Spiegeln der Gesellschaft zu machen.

Peter Stamm lässt jede seiner Geschichten von einem Ich-Erzähler erzählen, seine Protagonist:innen könnten unterschiedlicher nicht sein. Da ist ein junger Auszubildender, der monatelang bis ins kleinste Detail einen Banküberfall plant. Der Arzt im Ruhestand kurz vor seiner eigenen Operation, der sich an Mirjam erinnert, eine Frau, die ihn gestalkt hat, als er in der Notaufnahme arbeitete. Oder der Angestellte, der seine Arbeitszeit damit verbringt, eine einzige Liste zu führen, und kurz vor der Rente beginnt, ganz langsam aus der Welt zu verschwinden.

Da es sich um Kurzgeschichten handelt, sind alle Erzählungen lediglich kurze Einblicke in das Geschehen, ohne wirklichen Anfang und fast alle mit einem offenen Schluss. Jede Geschichte könnte so oder so enden, was wirklich real ist und überhaupt realistisch, kann man beim Lesen nicht wirklich erkennen, für mich war das Buch wie ein warmes Schaumbad – wohlig und entspannend, aber nach dem Ablassen des Wassers vorbei und schnell vergessen. Wenige Geschichten werden mir im Gedächtnis bleiben, am ehesten vermutlich die der Arzt-Stalkerin und die des verschwindenden Angestellten, denn sie brachten mich zum tieferen Nachdenken über die menschliche Psyche und die Gesellschaft als solche. Die Dunkelheit aus dem Titel ist in der Hauptsache eher metaphorisch gemeint, als tatsächlich. Wenn auch im Buch für mich eine konstant eher dunkle Grundstimmung spürbar war.

Themen wie Einsamkeit, das Gefühl, überflüssig oder gar unsichtbar zu sein, Egoismus, Egozentrik und Dissoziation nutzt der Autor für seine manchmal versteckte, manchmal ganz offene Gesellschaftskritik. Er legt Finger in Wunden und seziert die Gesellschaft unter dem Mikroskop und trotzdem konnte mich das Buch in seiner Gänze nicht begeistern. Der Autor schreibt klar, schnörkellos und ruhig, seine Erzählungen augenscheinlich einfach, aber mit lauten und heftigen Zwischentönen in den Zwischenzeilen. Dennoch ist mir das alles zu surreal und abstrakt. Das macht das Buch aber nicht zu einem schlechten, es traf nur einfach nicht meinen Geschmack. Daher von mir 3 Sterne.

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