Dienstag, 23. März 2021

Keine Regeln. Warum Netflix so erfolgreich ist - Reed Hastings, Erin Meyer

„Wir arbeiten alle wie verrückt, aber das liegt daran, dass wir unsere Jobs so leidenschaftlich lieben.“ – so könnte man laut „Keine Regeln. Warum Netflix so erfolgreich ist“ von Reed Hastings und Erin Meyer die Firmenphilosophie von Netflix zusammenfassen. Alle lieben ihren Job, alle lieben die Firma und daher tun alle ihr Möglichstes, um die Firma erfolgreich zu machen. Ob dies so stimmt, beleuchtet das Buch von zwei Seiten. Die Autoren sind Reed Hastings, Mitbegründer und Mit-CEO von Netflix und Erin Meyer, Professorin an einer privaten Wirtschaftshochschule.

Das Buch ist eine Mischung aus Biografie des Firmengründers Reed Hastings und der Geschichte von Netflix vom online DVD-Verleih zur heutigen Streaming-Plattform. Die einzige Regel im Unternehmen ist, dass es keine Regeln gibt. Es gibt keine innerbetrieblichen Hierarchien und Urlaub kann jeder nehmen, wann er möchte, ebenfalls sind die Arbeitszeiten nicht starr geregelt und alles läuft, solange die Ergebnisse stimmen. Es liest sich wie eine glückliche große Familie, eine Utopie, in der alles auf Ehrlichkeit und Loyalität fußt. Das ist die Seite, die Reed Hastings in dem Buch beschreibt.

Die „Gegenseite“ vertritt Erin Meyer, die das System zum Teil kritischer sieht und ihre Kritikpunkte direkt neben den Texten von Reed Hastings klar darlegt. Denn wo viel Licht ist, kann auch viel Schatten sein. So toll ein System ohne Regeln und ohne Hierarchie klingt, so traumhaft sich flexible Arbeitszeiten und –orte anhören und wie schön es wäre, in einer Firma sein Feedback ohne Angst abgeben zu können – auch bei Netflix gibt es Schattenseiten. Denn trotz aller Freiheit erwartet natürlich auch Reed Hastings von seinen Angestellten Höchstleistungen und den bedingungslosen Einsatz aller, schlicht „Großartiges“. Wer damit nicht konform geht, ist raus, wenn auch mit guter Abfindung. Und vermutlich gibt es auch in dieser „heilen Familie“ Probleme, denn zu viel Freiheit kann schnell ausgenutzt werden, zu viel ehrliches Feedback kann schnell zum Streitpunkt werden und Strukturen ohne Hierarchie haben sich in der Vergangenheit selten bewährt.

Insgesamt ist es für mich ein interessantes Buch, das mit Vorsicht gelesen und kritisch betrachtet werden sollte. Es ist gut und flüssig geschrieben, manchmal kam ich mir aber ein bisschen vor wie in einer Mischung aus einem „positive thinking“-Seminar, einem Selbstoptimierungs-Workshop und einer Predigt in einer (pseudo) religiösen Vereinigung. Alles in allem fand ich es nett zu lesen, manche Anregung ist sicher auch gut und praktikabel, also ist es insgesamt kein schlechtes Buch, aber sicher auch keine „Wirtschafts-Bibel“  mit Weisheiten, die immer und überall passen. Von mir daher 3 Sterne.

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