Donnerstag, 1. April 2021

Der große Sommer - Ewald Arenz


Tja, da hat sich Friedrich mit seiner Faulheit ja etwas eingebrockt. Statt mit der Familie in den Urlaub zu fahren, darf er seine Sommerferien damit verbringen, sich bei den Großeltern auf die Nachprüfung vorzubereiten. Denn mit den Fünfen in Latein und Mathe wird er nicht versetzt und ein zweites Mal darf er die neunte Klasse nicht wiederholen. Da ist Pauken angesagt, denn der Großvater (eigentlich Stief-Großvater) ist streng, gebildet und konsequent. Die Großmutter ist Künstlerin, liebevoll und warmherzig – was für ein Kontrast. Friedrich erlebt einen ganz besonderen Sommer, in dem er viel lernt. Natürlich Mathe und Latein, aber auch über das Leben, Liebe, Freundschaften und nicht zuletzt über sich selbst und dass manches und mancher anders ist, als er bislang geglaubt hat.

„Der große Sommer“ von Ewald Arenz ist für mich ein ganz großes Buch. Anhand des 16jährigen Protagonisten zeigt der Autor so vieles: Zeitgeist der frühen 1980er-Jahre mit Friedensbewegung, kaltem Krieg, NATO-Doppelbeschluss, Pershings und Wettrüsten, Pubertät und Dummejungenstreiche, erste Liebe, Respekt, Generationenkonflikte und dass hinter manch rauer Schale ein etwas weicherer Kern steckt. Noch bis vor ein paar Jahren musste Friedrich seinen Großvater siezen, jetzt zollt der „Herr Professor“ ihm tatsächlich an manchen Stellen Respekt und auch Frieder sieht seinen Großvater nach und nach mit anderen Augen. Die beiden wachsen ein bisschen aneinander und wachsen enger zusammen, als sie sich es vermutlich beide je hätten träumen lassen.

Es ist ein Buch über einen Sommer, den vermutlich jede/r so ähnlich kennt – ob es bei den Leser:innen nun der Sommer war oder eine andere Zeitspanne. Ein paar Tage oder Wochen, an deren Ende nichts mehr so ist, wie es vorher war. In der man gewachsen, vielleicht sogar über sich hinausgewachsen ist. Das ist das Merkmal des Entwicklungsromans (neudeutsch: coming-of-age) schlechthin und das erfüllt Ewald Arenz ganz hervorragend. Ich denke, am Ende der Geschichte ist keiner der Charaktere derselbe wie am Anfang und auch das Publikum kann durchaus bei der Lektüre eine Entwicklung durchlaufen, wenn es sich auf die Geschichte und die vielen Dinge zwischen den Zeilen einlässt. Ich zumindest konnte aus dem Buch einiges mitnehmen.

Für mich ist es auf jeden Fall eines der besten Bücher dieser Kategorie, die ich bislang gelesen habe. Der Inhalt und die Sprache passen für mich auch ganz hervorragend zusammen. Weitgehend unaufgeregt, in klaren Worten und eher schlichten Sätzen, schafft der Autor eine Mischung aus heiler Welt und den wilden Zeiten der Pubertät, ein „normales“ Leben mit einigen Eskapaden. Seine gut ausgearbeiteten und bildhaft beschriebenen Charaktere nehmen die Leser:innen mit in eine Zeit, an die sich manche noch erinnern werden, es ist die auch Zeit seiner eigenen Jugend. Aber auch für mich, der ich 1981 erst vier Jahre alt war, war es spannend und interessant zu lesen. Ein großes Buch über einen großen, bewegten Sommer. Von mir eine klare Lese-Empfehlung und fünf Sterne.

 

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