Freitag, 23. Juli 2021

Meine Amy. Ein Abschied in Worten - Tyler James

Zehn Jahre sind seit dem Tod von Amy Winehouse vergangen, jetzt hat sich ihr bester Freund Tyler James mit einem Buch von ihr verabschiedet. „Ein Abschied in Worten” – so lautete der Untertitel des Buchs „Meine Amy” und der Titel ist Programm. Es ist ein bewegendes und berührendes Denkmal, das er der Ausnahmekünstlerin setzt. Obwohl ich absolut kein Fan von Amy Winehouse war und bin, hat das Buch mich tief beeindruckt.

Die Geschichte von Amy Winehouse kennt vermutlich jeder, der ihre Musik schon einmal gehört hat: talentiertes Mädchen, später hochtalentierte junge Frau, überragender und überraschender Erfolg mit dem ersten Album „Frank“, On-Off-Beziehung zu Blake Fielder-Civil, Heirat, Scheidung, Drogen, Alkohol, Bulimie und immer wieder Skandale. Eine abgesagte, eine misslungene Tournee. Und ihr Tod mit nur 27 Jahren. Wer aber der Mensch war, der hinter den Skandalen steckte, beschreibt Tyler James in seinem Buch, das zum zehnten Todestag der Musikerin erscheint.

Er vermischt seine eigene mit der Biografie von Amy Winehouse, denn sie sind einen großen Teil ihres Lebens gemeinsam gegangen. „Sie war zwölf, fast dreizehn, sah aber aus wie neun, knapp eins fünfzig groß mit langem dunklem Haar, ein kleines jüdisches Mädchen aus North-London.“ – so fing ihre Freundschaft an, die bis zu ihrem Tod andauern sollte, wobei der nur ein Jahr ältere James nach und nach eine Beschützer-, ja eine Vaterrolle für Amy übernehmen sollte. „Es war Liebe auf den ersten Ton. Und dann Liebe auf den ersten Blick.“ Und sie waren trotz aller später aufkommenden Probleme Seelenverwandte, ihre Beziehung war allerdings immer nur geschwisterlicher Art.

„Unsere Freundschaft begann in genau diesem Moment, war nicht nur von unserer gemeinsamen Liebe zur Musik getrieben, sondern auch von einer tieferen Gemeinsamkeit: Wir waren zwei abgef**te Teenager und erkannten uns im jeweils anderen wieder. Wir waren depressiv, ängstlich, verunsichert.“ Er kümmerte sich über mehrere Jahre um Amy, „Wenn du dich um jemanden kümmerst, dem es so schlecht geht, dann wirst du selbst krank und verlierst dich selbst. Aber du gibst nicht auf. Es war mir egal, was es mit mir machte. Man darf nicht aufgeben. Und ich habe nie aufgegeben.“ Gemeinsam rutschten sie in die Sucht – nur einer von ihnen kam lebend wieder heraus.

Es ist ein Buch über Amy Winehouse, aber auch über Sucht, Selbstverletzung, Überforderung mit dem plötzlichen Ruhm und dem damit verbundenen Reichtum und natürlich über ihr tragisches Ende. Der Verfasser wertet nicht, er klagt weder Amys Vater Mitch noch das Management an, die ihrem Verfall viel zu lange zugesehen haben. Und er klagt mit keiner Zeile Amy selbst an. Weder für ihr Abrutschen in die Sucht, ihre Selbstzerstörung oder dass sie ihn in alles mit hineingezogen hat. In seinen Augen konnte sie nicht anders und er liebte sie wie eine Schwester, bedingungslos und grenzenlos. Aber eine unterschwellige Kritik an der Gesellschaft kann der Verfasser nicht verbergen: erst Gesellschaft und Medien haben das schüchterne Mädchen, das eigentlich immer nur Songs schreiben, und gar nicht berühmt werden wollte, zu dem gemacht, was sie zum Schluss war: jemand, der Grenzen suchte, aber nicht fand („Amy sagte oft: »Das Gesetz gilt nicht für mich.« Und das meinte sie nicht als Scherz. Es war nicht so, dass sie sich für was Besseres hielt, im Gegenteil. Aber es war einfach wahr. Amy kam mit allem davon.“)

Ich lese sehr viel, auch viele Bücher zu schwierigen Themen. Aber dieses war für mich eines der berührendsten, ein Buch, das mich zutiefst traurig und fassungslos zurückließ. Dabei fand ich es sprachlich nicht einmal besonders gut, denn es ist nicht wirklich ausgefeilt. Aber der Tiefgang, der Schmerz und die bedingungslose Freundschaft zwischen den beiden, all das machte mir schwer zu schaffen. Tyler James hat für mich ein herausragendes Buch geschrieben. Ein Einblick in das Leben des Menschen abseits der Kunstfigur Amy Winehouse und schlicht ein Denkmal für seine beste Freundin. Von mir klare 5 Sterne.

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