Freitag, 23. Juli 2021

Zwischen du und ich - Mirna Funk

Die Mittdreißigerin Nike hat die Chance, für ihren Arbeitgeber DAAD (Deutscher Akadamischer Auslandsdienst) für ein Jahr nach Tel Aviv zu gehen, um von dort aus eine Konferenz vorzubereiten. Damit beginnt Mirna Funks Roman „Zwischen du und ich“. Da sie durch ihre Mutter Jüdin ist, nutzt Nike Chance, sich in Israel einbürgern zu lassen (Alija zu machen), obwohl sie den Glauben nie praktiziert hat. Außerdem möchte sie die Zeit nutzen, um mehr über ihre Familie herauszubekommen, denn ihre Familienverhältnisse in Deutschland sind zu kompliziert, als dass sie dort etwas erfahren könnte. In Tel Aviv trifft sie auf Noam, einen bekannten ehemaligen Zeitungskolumnisten, der ebenfalls aus komplizierten familiären Verhältnissen stammt.

So weit, so interessant. Und vor allem die Passagen, die die Autorin aus Nikes Sicht beschreibt, fand ich im Großen und Ganzen auch wirklich gut. Die Schilderungen ihrer Vergangenheit in einer toxischen und gewaltvollen Beziehung mit einem älteren Mann, ihre komplizierte Familie, in der viel über die anderen geredet wird, aber kaum jemand mit dem anderen zu reden scheint und die mutige Entscheidung zum Umzug nach Tel Aviv – das alles las sich spannend und interessant. Noam hingegen fand ich nicht sehr sympathisch. Zwar hat er es auch nicht leicht im Leben und auch seine Familienverhältnisse sind schwierig, aber er ist für mich ein Macho, dazu ist er egozentrisch, sexistisch, unbeherrscht und rücksichtslos. Frauen scheinen für ihn nur Objekte zu sein, dafür nimmt er sich selbst aber das Recht heraus, eifersüchtig zu sein und auch seinen Vaterpflichten gegenüber seinem Sohn Amit kommt er nicht wirklich nach.

Nachdem Nike ihn getroffen hat (besser gesagt: nachdem er sie erst bei Instragram gestalkt und dann um ein Treffen gebeten hat), interessiert sie sich kaum noch für etwas anderes. Obwohl sie schon eine toxische Beziehung hinter sich hat, lässt sie sich Hals über Kopf auf ihn ein und ihre Arbeit und die Suche nach ihren Wurzeln geraten völlig in den Hintergrund („Ich war die gesamte Woche nicht zum DAAD gegangen, sondern hatte die Tage nur mit Noam verbracht.“). Und so wandelt sich auch die Handlung des Buchs zu einer eher platten Liebesgeschichte zweier traumatisierter Menschen. Die erwarteten Themen Religion, Kultur, jüdisches Leben in Deutschland und Israel, die Unterschiede zwischen „Ost-Juden“ und „West-Juden“ zu DDR-Zeiten finden fast ausschließlich im ersten Teil des Buchs statt und dann wird zugunsten einer hanebüchenen unguten Liebesbeziehung alles über den Haufen geworfen. Und auch das Thema der häuslichen Gewalt und der „vererbten Traumata“ (also Epigenetik) wird zwar erwähnt, aber nicht wirklich ausgeführt. Einzig der Zusammenhang zwischen deutscher Kolonialherrschaft und dem Bürgerkrieg in Ruanda wird ziemlich gut herausgearbeitet.

Schon beim Lesen hatte ich immer wieder das Gefühl, ich hätte irgendwas verpasst. Ständig wartete ich auf Erleuchtung oder echte Handlung zwischen Sex oder Gewaltbeschreibungen für die ich mir durchaus eine Triggerwarnung gewünscht hätte. Also habe ich zurückgeblättert, noch einmal gelesen – und war doch nicht schlauer. Ich fand das Buch an sich nicht wirklich schlecht, aber ganz sicher auch nicht gut. Sprachlich ist es gut und flüssig zu lesen, die Autorin sagt durch Andeutungen und Rückblicke sehr viel, ohne es wirklich zu sagen. Insgesamt fand ich es stellenweise aber zu derb und zu vulgär.

Für mich war das Buch gewollt und nicht gekonnt, vor allem Ende ließ mich auch nach mehrmaligem Lesen völlig ratlos zurück. Wichtige Themen werden nur angerissen, aber zu wenig verfolgt, die Charaktere waren eher unsympathisch und in ihren Motiven undurchsichtig. Alles in allem fehlte mir im Buch die Tiefe und es kam mir eher wie mit dem Vorschlaghammer erzählt vor, denn einfühlsam. Schade, das Thema hätte eine Menge Potential geboten, aber über jüdisches Leben gibt es sicher weitaus bessere Bücher. Von mir daher für die gute Idee eher ratlose und enttäuschte 2 Sterne.

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