Freitag, 25. Februar 2022

Warnung vor Büchern - Hans Fallada/Carsten Gansel (Hrsg.)

Mehr als 70 Jahre nach seinem Tod gibt es im Nachlass von Hans Fallada immer noch unentdeckte Kleinode. In „Warnung vor Büchern“ sind, herausgegeben von Carsten Gansel, einige veröffentlichte und unveröffentlichte Anekdoten, Berichte, Autobiografisches, Erzählungen und Reden zusammengestellt, die der Schriftsteller von Mitte der 1920er Jahre bis zu seinem Tod 1947 verfasst hat. Ich beziehe mich hier auf das von Ulrich Noethen eingelesene Hörbuch, das mit sieben Geschichten nur einen Teil des im Reclam-Verlag erschienenen Buchs umfasst (die Geschichte mit dem titelgebenden Namen “Warnung vor Büchern” fehlt im Hörbuch allerdings).

Das Hörbuch beginnt mit einer Ausführung, wie man Schriftsteller wird, beziehungsweise, wie Fallada vom Landwirt zum Schriftsteller wurde. („Ich glaube nicht daran, dass man ein Schriftsteller wird, sondern dass man einer ist, vom Beginn des Lebens an. Es kann sehr lange dauern, bis man es erkennt, ich zum Beispiel war 37 Jahre alt, bis ich meinen ersten richtigen Roman schrieb. Bis dahin hatte ich mich, im Allgemeinen, mit sehr anderen Dingen beschäftigt.“) - solche Aussagen kannte ich schon aus seiner Rede „Meine lieben jungen Freunde“. Er erzählt mal launig, mal ziemlich bitter, wie er beispielsweise beinahe Hausbesitzer geworden wäre. Das Geschäft war von seiner Seite aus schon in trockenen Tüchern, dann aber denunzierte ihn das Ehepaar, dem er das Haus abkaufen wollte und sollte und, statt Eigentümer der Villa zu werden, wurde er nach einer Hausdurchsuchung durch die SA verhaftet und auf dem Weg zur Haftanstalt beinahe erschossen. Und auch sonst handeln seine Texte überwiegend von Nazis und den Problemen, die durch sie entstanden. So schreibt er sehr ausführlich und bedrückend in dem Essay „Das Todeshaus formt einen Dichter“ über seinen Schriftstellerkollegen Alfred Schmidt-Sas. Sehr beeindruckend fand ich auch die Rede „Meine Damen und Herren“, eine flammende Ansprache im Zusammenhang mit den Nürnberger Prozessen. Diese zeigt ganz deutlich, dass Fallada trotz seiner sehr schlechten Erfahrungen ein glühender Fürsprecher für die Demokratie ist – ein Buch, das aktueller nicht sein könnte, mit Säbelrasseln und geistigen Brandstiftern an allen möglichen Ecken und Enden.

Selten hat mich ein Hörbuch so in den Bann gezogen, wie dieses. Sowohl der Text an sich hat mich, als bekennenden Fallada-Fan, begeistert, als auch die Art und Weise, wie Ulrich Noethen ihn liest. Er liest empathisch und sensibel, nuanciert und pointiert und kurz gesagt: er trifft immer den rechten Ton. Wie auch Fallada für mich den rechten Ton trifft. Er legt den Finger in Wunden, zeigt Probleme auf und verliert trotzdem nie den Glauben an die Menschen und die Hoffnung auf den Sieg des Anstands über das Unrecht.

Nicht umsonst wurde Ulrich Noethen mit dem “Deutschen Hörbuchpreis” ausgezeichnet und Fallada gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Falladas Texte und Noethens Stimme passen hervorragend zusammen und bilden eine fesselnde Einheit. Gerne hätte ich noch mehr als die sieben Kapitel des Hörbuchs gehört. Eine ganz klare Hör-Empfehlung von mir und fünf Sterne.





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