Donnerstag, 10. März 2022

Kalter Fjord - Anne Nordby

Wie können Ermittlungen gegen eine rechtsradikale Gruppierung und deren Waffengeschäfte mit einem 20jährigen Abiturjubiläum verknüpft sein? Eigentlich vermutlich gar nicht. Dass das aber der Grundstoff für einen rasanten Thriller sein kann, beweist Anne Nørdby mit ihrem neuen Buch „Kalter Fjord“ und legt damit den dritten Teil um den Skanpol-Ermittler Tom Skagen vor. Und nimmt ihr Publikum nicht nur mit auf eine Kreuzfahrt, sondern auch auf eine Reise in Gewalt, verklärte Ideologien und Flashbacks.

Aber von vorn.

Tom Skagen und seine Skanpol-Kollegen ermitteln in einem sehr komplexen und enorm heiklen Fall: in einer Kooperation zwischen Skanpol, Europol und den norwegischen Behörden sind sie einer Gruppierung namens „Åsgards Sønner“ auf der Spur, die im großen Stil Waffen nach Norwegen schmuggeln. Auch ein möglicher großer Anschlag auf norwegischem Boden steht im Raum, schließlich scheint die Gruppe den norwegischen Attentäter Anders Breivik zu verehren, den Mann, der 2011 auf der Insel Utöja 69 Menschen erschossen hat und durch eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo acht Menschen tötete. Der Einsatz von Skagen und seinem Team geht allerdings schrecklich schief und seine Chefin versetzt ihn, um etwas Ruhe in die Ermittlungen zu bekommen, auf ein Kreuzfahrtschiff. Auf diesem ist auch eine große Gruppe ehemaliger Schüler eines Hamburger Internats, die ihr 20jähriges Abiturjubiläum feiert. Innerhalb dieser Gruppe kochen alte Freund- und Feindschaften wieder hoch und plötzlich wird einer aus der Runde vermisst. Und als dann seine Leiche auf dem Kutter eines norwegischen Fischers im wahrsten Sinne des Wortes „aufschlägt“, wird aus der lustigen Seefahrt mit „alten Freunden“ bitterer Ernst und Tom Skagen, gefangen zwischen Ermittlungsarbeit und Flashbacks, muss sein ganzes Können und Wissen aufbieten, um alles aufzuklären.

Wow. Was für ein Fall, dachte ich beim Lesen des neuen Buchs von Anne Nørdby. So sehr ich mich über das Wiedersehen mit Tom Skagen gefreut habe – in diesem Buch wird so viel von ihm abverlangt, dass er mir einerseits (vor allem wegen seiner vielen Flashbacks, die auf dem Kreuzfahrtschiff noch viel schlimmer sind als sonst) leidtat, andererseits fand ich seine Genialität manchmal fast unrealistisch. Aber alles in allem stimmt für mich die Balance, das Buch ist absolut ausgewogen: genau die richtige Menge an Sympathen und Unsympathen, an Privatleben und Ermittlungen, an Erzählungen mit Tom Skagen im Mittelpunkt und denen, die sich um andere Charaktere drehen. Skagen selbst muss sich etwas mehr öffnen als in den Vorgängerbänden, was ihn mir noch nähergebracht hat, als er ohnehin schon war. Das Buch ist zwar in sich abgeschlossen und sicherlich als Einzelband lesbar und verstehbar, aber das „große Ganze“ braucht dann doch die beiden ersten Teile auch. Für mich war der Bezug auf den norwegischen Attentäter Breivik ganz besonders pikant, da just in dem Moment, als ich das Buch las, über dessen Bewährung verhandelt wurde.

Sprachlich ist das Buch flott geschrieben und gut zu lesen. Leider sind mir verhältnismäßig viele Rechtschreib- und Grammatikfehler aufgefallen, was mir den Lesegenuss etwas verdorben hat. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, wenn auch manche, vor allem die Unsympathischen, etwas plakativ gezeichnet. Die Landschaft entlang der norwegischen Küste ist rau, aber sehr verlockend beschrieben.

Alles in allem war das Buch für mich eine absolut fesselnde Lektüre mit heiklen und völlig unterschiedlichen Themen (rechtsgerichtete Waffenschieber und Mobbing unter Schülern, das sich bis ins Erwachsenenalter zieht). Von mir daher fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.

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