Dienstag, 19. April 2022

Du darfst nicht alles glauben, was du denkst - Kurt Krömer/Alexander Bojcan

Ich gestehe, dass ich Kurt Krömer bis zu seiner „Chez Krömer“-Sendung mit Torsten Sträter nicht kannte. Geschweige denn, dass ich wusste, dass sich hinter der Kunstfigur ein Komiker und Schauspieler namens Alexander Bojcan verbirgt. Kurt Krömer mag nicht ganz mein Fall sein und ich kann nicht behaupten, ein Fan zu sein. Aber sein Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Meine Depression“ war wirklich unterhaltsam und manchmal auch hilfreich. Da er sich in der Sendung mit Torsten Sträter ja praktisch schon „nackig gemacht hat“, war das Buch nichts wirklich Neues, aber es enthält mehr Details zu dem, was er im Fernsehen schon erzählt hat. Ein schonungsloser Bericht über dunkle Zeiten und die Schwierigkeiten, sich das alles einzugestehen. 

Aber von vorn.

Alexander Bojcan ist 47 Jahre alt, alleinerziehender Vater von vier Kindern, trockener Alkoholiker und litt über 30 Jahre lang unter Depressionen, die meiste Zeit davon, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ich schreibe hier bewusst seinen bürgerlichen Namen, denn es ist ja er, der die Depression erlebt und nicht die Kunstfigur. Auf 192 Seiten schreibt er launig, flapsig und manchmal auch mit sehr ernstem und nachdenklichem Unterton über seine Erfahrungen mit Kliniken, Therapeuten und den Depressionen an sich. Über seine Familie deckt er das Mäntelchen der Anonymität, ein Zug, den ich sehr schätze.

Das Buch ist beileibe kein Ratgeber. Als Betroffener kann man mehr oder weniger nur zwei Dinge daraus mitnehmen: du bist nicht allein damit und such dir Hilfe! Depressionen sind etwas sehr Individuelles, das sieht man an Alexander Bojcan sehr deutlich. „Diese Krankheit verbindet einen so dermaßen, denn vieles läuft bei allen Depressiven gleich ab.“ Vieles, aber nicht alles. Und das stellt Alexander Bojcan auch deutlich klar. „Draußen habe ich eigentlich immer funktioniert“ – und das jahrelang. Und in „geschützter Umgebung“, sprich: zu Hause kam dann der Zusammenbruch. „Die Depression verändert eben auch dein Wesen. Du wirst fremdbestimmt, irgendetwas macht dich zu einem komplett anderen Menschen“ – auch das kennt wohl jeder Betroffene. Dieses „auf Autopilot Laufen“. 

Das Buch ist authentisch, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Der flapsige Ton mit den ernsten Zwischentönen, der Witz mit den sensiblen Untertönen – mich hat das Buch wirklich überrascht und ich habe es sehr gerne gelesen. Vor allem natürlich, weil ich mich selbst in vielem wiedererkannt habe, aber auch, weil es den Menschen hinter der Kunstfigur zeigt. Und der ist mir wesentlich sympathischer. Sehr bewegt hat mich seine deutlich spürbare Liebe für seine Kinder und auch für seine Freunde. Vor allem seine tiefe Trauer um seinen besten Freund Michael Gwisdek zeigte seine enorme Empfindsamkeit und mir einen ganz anderen Menschen als den, den er im Fernsehen darstellt. Danke fürs „Nackigmachen“, Herr Bojcan. Von mir gibt’s fünf Sterne.


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