Dienstag, 15. November 2022

Team Helsinki: Die Tote im Container - A. M. Ollikainen

 Mittsommer ist in Skandinavien ein wichtiges Fest, ein Fest, an dem Familien zusammenkommen und gefeiert wird. Für die Unternehmerfamilie Lehmusoja wird es nicht nur der Tag der Sommersonnwende, das Leben aller Familienmitglieder wird nie wieder so sein wie zuvor, denn auf ihrem Anwesen wird an Mittsommer in einem abgestellten Container die Leiche einer jungen Frau gefunden. Damit beginnt „Team Helsinki: Die Tote im Container“, der erste Teil der „Paula Pihlaja-Serie“ aus der Feder des finnischen Autorenduos A. M. Ollikainen. Es ist ein bedrückender Krimi mit bildgewaltiger Sprache, einem Plot, das ohne viel Blutvergießen brutal ist und einem Schluss, der mich völlig überrascht hat. 

Aber von vorn.

Kommissarin Paula Pihjala ist gerade aus einer zweimonatigen Beurlaubung zurück, als sie mit ihrem Kollegen Aki Renko den Dienst an Mittsommer übernimmt. Als sie zu einem Leichenfund westlich von Helsinki gerufen werden, erwartet sie ein schrecklicher Anblick: eine dunkelhäutige Frau ist in einem Container qualvoll ertrunken. Der Container, der vor dem Gutshof einer Unternehmerfamilie steht, wurde mit Meerwasser gefüllt und die junge Frau, die später als die Universitätslehrerin Rauha Kalando aus Namibia identifiziert wird, hatte keine Chance. Schnell kristallisiert sich heraus, dass sie wohl zum Hausherrn, dem Unternehmer Juhana Lehmusoja, wollte. Aber warum? Und was hat das von seinem Vater unterzeichnete Dokument damit zu tun, das die Beamten in ihrem Hotelzimmer finden? Hängt alles mit Jerry, dem dunkelhäutigen Adoptivsohn der Lehmusojas zusammen? Und was ist mit dem Künstler Paavali Kassiinen, der mit dem Container, in dem das Opfer gefunden wurde, eine Installation plante? Er macht sich mit seinen Handlungen und Aussagen nicht gerade unverdächtig.

Als ich mich an die finnischen Namen im Buch gewöhnt hatte, wurde die Lektüre flüssiger. Dann konnte ich die stellenweise für einen Krimi fast zu poetische Sprache auf mich wirken lassen. Die bildgewaltigen Beschreibungen sind wortreich und zeichnen für die Leserschaft sehr klare Bilder. Leider schaffte das Autorenduo es für mich nicht, die Charaktere ebenso klar zu zeichnen wie die Landschaften. Keiner ist für mich dreidimensional oder greifbar, nicht einmal die Protagonistin Paula, auf deren Privatleben eher andeutungsweise eingegangen wird und dieses vermutlich in einem der folgenden Teile der Serie Thema sein wird. Dafür finde ich den Spannungsaufbau hingegen sehr gekonnt. Durch den Prolog als „Teaser“ und immer wieder eingeschobenen Passagen aus einer anderen Zeitebene entsteht unterschwellig eine stetige Grundspannung, die mich gefesselt hat. Diese Spannung steigerte sich durch die teils sehr kurzen Kapitel noch mehr und ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. 

Zwar fehlt manchmal ein deutlicher roter Faden und viele Andeutungen schaffen es dann doch nicht hundertprozentig, handfeste Informationen zu ersetzen, aber trotzdem fand ich das Buch bis auf ein paar Längen durchaus gelungen. Der Schluss war für mich eine völlige Überraschung, bei so vielen falschen Fährten, hatte ich bis zuletzt bezüglich Täter und Motiv keine Ahnung. 

Obwohl das Autorenduo nicht neu auf dem Gebiet der Krimis ist, hatte ich das Gefühl, die beiden müssen sich mit ihrer neuen Serie erst einmal warmlaufen. Aber der Anfang ist gemacht und er ist mit ein paar Abstrichen gelungen. Ich freue mich auf jeden Fall auf den zweiten Teil der Reihe („Kiikku“ ist auf Finnisch vor kurzem erschienen und ist unter dem Tite "Grausames Spiel" für April 2023 angekündigt). Schließlich möchte ich wissen, was hinter den ganzen mysteriösen Andeutungen bezüglich Paulas Privat- und Vorleben steckt. 

Von mir gibt es für den Auftakt vier Sterne.

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