Freitag, 3. Oktober 2025

Hans Christian Andersen. Mit dem Märchendichter im Südwesten - Nina Blazon

 Meine erste Begegnung mit Hans Christian Andersen verursachte bei mir ein tiefsitzendes Trauma, denn seine „Eisprinzessin“ verfolgte mich sehr lang in meinen Alpträumen. „Hans Christian Andersen. Mit dem Märchendichter im Südwesten“ von Nina Blazon hat mich mit dem dänischen Schriftsteller versöhnt. Und das so sehr, dass ich beim nächsten Besuch in Dänemark unbedingt Odense besuchen muss. 

Aber von vorn.

Hans Christian Andersen wurde 1805 in Odense auf der dänischen Insel Fünen geboren. 1819 machte er sich auf den Weg nach Kopenhagen, das war nur eine seiner vielen Reisen. Die erste unternahm er, um in der Hauptstadt Schauspieler zu werden. Das klappte nur mäßig und er hatte das Glück, nach seinem Rausschmiss aus der Elevenschule 1822 einen Gönner zu haben, der ihm höhere Bildung ermöglichte. Der Finanzbeamte Jonas Collin sorgte dafür, dass der magere, hochgewachsene Junge aus der Provinz die Lateinschule in Slagelse besuchen konnte. Anschließend besuchte er die Lateinschule in Helsingør und später die Universität in Kopenhagen. Seine Passionen Schreiben und Reisen begleiteten ihn ein Leben lang. Aus Dankbarkeit nimmt er erst Söhne seines Gönners Collin mit in die Ferne, später auch einen Enkel. Selbst nie verheiratet, war Andersen wohl des Öfteren verliebt – in Frauen und Männer gleichermaßen. Nina Blazon wandelt auf den Spuren des Dichters im Südwesten der Bundesrepublik, zusammen mit den beiden besucht die Leserschaft unter anderem  Heidelberg, Stuttgart und Wildbad, man reist gemeinsam in Kutsche und Diligence (Express-Kutsche) und in der Eisenbahn. Geschichten treffen bei den Reisen auf Geschichte. Der Bau des Ulmer Münsters, die Neu-Ordnung Europas durch Napoleon, das Aufkommen der Eisenbahn – das alles hat HC Andersen miterlebt, die Anekdoten hat er in seinem Tagebuch notiert oder in seinen Werken verarbeitet. Seine Reisen waren durch Treffen mit großen Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik geprägt.

Man spürt die Begeisterung Andersens für das Reisen an sich, für die Sehenswürdigkeiten und für einige der Menschen, denen er begegnete. Und man spürt die Begeisterung Nina Blazons für Andersen. Und diese Begeisterung ist ansteckend. Sie beschreibt den Dichter sensibel und fast wie einen alten Freund. Sie geht nicht mit ihm ins Gericht, wenn seine Hypochondrie ihm Durchfall, Kopf- und Zahnschmerzen beschert, seine Angewohnheit, seine Wertsachen in den Schuhen zu verstecken, weiß sie ebenfalls zu erklären. Sie beruft sich dabei auf sein Tagebuch, das eigentlich gar nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht war. Darin schreibt er nämlich ungeschliffen und ganz sicher nicht druckreif. Aber er schreibt ehrlich und authentisch, ungeschönt und menschlich. 

Sprachlich war das Buch für mich ein Hochgenuss und es brachte mir den Dichter so nahe, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Ich hätte noch ewig weiterlesen können. Ich empfehle das Buch Freunden von Biografien, dänischer Literatur, Märchen – eigentlich kann ich es jedem empfehlen, es ist ein wirkliches Highlight.


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