Mit „Meeresfriedhof“ hat der norwegische Autor Aslak Nore den Auftakt zu einer Trilogie vorgelegt. Das Buch hat ein bisschen was von einem Thriller, aber auch viel von einem historischen Roman, einem Familien- und Kriegsdrama. Obwohl das Buch über die norwegische Unternehmerfamilie Falck anstrengend und stellenweise langatmig war, hat es mich gefesselt und ich freue mich auf die nächsten beiden Teile (im Original sind sie schon erschienen).
1940 befinden sich der Unternehmer Store-Thor Falck, seine
Frau Vera und ihr Sohn Olav auf dem Hurtigrutenschiff DS Prinsesse Ranghild. Außer
ihnen und vielen anderen Zivilisten sind auch eine Menge Soldaten der deutschen
Besatzungsmacht an Bord. Nach einer Explosion wegen einer englischen
Unterseemine am 23. Oktober 1940 sinkt das Schiff und Vera und Olav sind zwei
der wenigen Überlebenden. 75 Jahre später begeht Vera Selbstmord. Ihre
Nachkommen machen sich auf die Suche nach ihrem Testament und stellen fest,
dass es sich dabei um ein Manuskript mit dem Titel „Meeresfriedhof“ aus den
1970er-Jahren handelt. Dieses war seinerzeit vom Staatsschutz beschlagnahmt
worden. Ihre Enkelin Alexandra, genannt Sasha, möchte das Familiengeheimnis
lösen. Dabei kommt sie den „Bergensern“ näher, dem verarmten Zweig der Familie,
der aus Bergen stammt, während ihr Zweig in Oslo residiert. Unterstützt wird
sie von John Omar Berg, einem etwas undurchsichtigen Elitesoldaten und
Journalisten. Die beiden machen sich aus unterschiedlichen Motiven auf die
Suche nach dem Manuskript, denn je nachdem, was mit damit ans Licht kommt,
werden die Karten im Familienimperium der Falcks neue gemischt.
„Meeresfriedhof“ ist keine leichte Kost. Das Buch ist in
jeder Hinsicht komplex. Die Vielzahl an Personen, von denen sehr viele den
Nachnamen Falck tragen, war für mich am Anfang trotz des Stammbaums im Buch ebenso
verwirrend, wie die verschiedenen Zeitebenen und die unterschiedlichen
Handlungsorte. Aber nach den Anfangsschwierigkeiten konnte der Roman (ein
wirklicher Thriller ist es für mich nicht) mich packen und ich habe
mitgefiebert. Zwar konnte ich mich mit keinem der Charaktere wirklich
anfreunden oder gar identifizieren, aber ich konnte mich in die Handlung
einfühlen. Auf der Prinsesse Ranghild, zwischen deutschen Besatzern und
Angehörigen des Widerstands, war ich ebenso von der dichten Atmosphäre
gefesselt wie auf den Kriegsschauplätzen. Die Landschaftsbeschreibungen sind
durchweg überaus gelungen, sei es nun in Norwegen, auf See oder im Nahen Osten.
Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, die meisten völlig
unsympathische Karrieristen oder undurchsichtige Gestalten, manche auch beides.
Bei den beiden Falck-Familienzweigen (der „Oslo-Phalanx und den „Bergensern“) geht
es nicht nur um einfache Streitereien. Es geht nicht wirklich darum, ob eine
Unterseemine die Prinsesse Ragnhild versenkte, oder ob Store Thor Falck nun Kollaborateur
oder Widerstandskämpfer war und zurecht mit dem Kriegskreuz mit Schwertern ausgezeichnet
wurde. Diese Probleme könnte man wohl mit einer Lüge zudecken, wie so viele
andere auch. Es geht auch nur zweitrangig um Veras Testament. Es geht vielmehr um
Macht in Wirtschaft und Politik im In- und Ausland, denn das
Falck-Familienimperium, die SAGA-Gruppe ist hervorragend vernetzt und schwerreich
und der politische Einfluss reicht bis in die Welt der Geheimdienste.
Obwohl das Testament als „Buch im Buch“ verarbeitet, endet
„Meeresfriedhof“ mit einem Cliffhanger und ich freue mich jetzt schon auf den
nächsten Teil. Sprachlich und stilistisch war das Buch nach meinem Geschmack:
schnörkellos und trotzdem bildgewaltig mit subtiler, intelligent aufgebauter
Spannung. Ich empfehle das Buch allen, die gerne komplexe und vielschichtige Geschichten
mit politischen, historischen und familiären Verstrickungen lesen. Die
Erzählung ist dicht und bis auf ein paar Längen packend erzählt. Vor allem,
weil das Buch zum Teil auf wahren Ereignissen beruht, war es für mich ein
Highlight. Von mir fünf Sterne.
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