Montag, 26. August 2024

Meeresfriedhof - Aslak Nore

Mit „Meeresfriedhof“ hat der norwegische Autor Aslak Nore den Auftakt zu einer Trilogie vorgelegt. Das Buch hat ein bisschen was von einem Thriller, aber auch viel von einem historischen Roman, einem Familien- und Kriegsdrama. Obwohl das Buch über die norwegische Unternehmerfamilie Falck anstrengend und stellenweise langatmig war, hat es mich gefesselt und ich freue mich auf die nächsten beiden Teile (im Original sind sie schon erschienen).

1940 befinden sich der Unternehmer Store-Thor Falck, seine Frau Vera und ihr Sohn Olav auf dem Hurtigrutenschiff DS Prinsesse Ranghild. Außer ihnen und vielen anderen Zivilisten sind auch eine Menge Soldaten der deutschen Besatzungsmacht an Bord. Nach einer Explosion wegen einer englischen Unterseemine am 23. Oktober 1940 sinkt das Schiff und Vera und Olav sind zwei der wenigen Überlebenden. 75 Jahre später begeht Vera Selbstmord. Ihre Nachkommen machen sich auf die Suche nach ihrem Testament und stellen fest, dass es sich dabei um ein Manuskript mit dem Titel „Meeresfriedhof“ aus den 1970er-Jahren handelt. Dieses war seinerzeit vom Staatsschutz beschlagnahmt worden. Ihre Enkelin Alexandra, genannt Sasha, möchte das Familiengeheimnis lösen. Dabei kommt sie den „Bergensern“ näher, dem verarmten Zweig der Familie, der aus Bergen stammt, während ihr Zweig in Oslo residiert. Unterstützt wird sie von John Omar Berg, einem etwas undurchsichtigen Elitesoldaten und Journalisten. Die beiden machen sich aus unterschiedlichen Motiven auf die Suche nach dem Manuskript, denn je nachdem, was mit damit ans Licht kommt, werden die Karten im Familienimperium der Falcks neue gemischt.   

„Meeresfriedhof“ ist keine leichte Kost. Das Buch ist in jeder Hinsicht komplex. Die Vielzahl an Personen, von denen sehr viele den Nachnamen Falck tragen, war für mich am Anfang trotz des Stammbaums im Buch ebenso verwirrend, wie die verschiedenen Zeitebenen und die unterschiedlichen Handlungsorte. Aber nach den Anfangsschwierigkeiten konnte der Roman (ein wirklicher Thriller ist es für mich nicht) mich packen und ich habe mitgefiebert. Zwar konnte ich mich mit keinem der Charaktere wirklich anfreunden oder gar identifizieren, aber ich konnte mich in die Handlung einfühlen. Auf der Prinsesse Ranghild, zwischen deutschen Besatzern und Angehörigen des Widerstands, war ich ebenso von der dichten Atmosphäre gefesselt wie auf den Kriegsschauplätzen. Die Landschaftsbeschreibungen sind durchweg überaus gelungen, sei es nun in Norwegen, auf See oder im Nahen Osten.

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, die meisten völlig unsympathische Karrieristen oder undurchsichtige Gestalten, manche auch beides. Bei den beiden Falck-Familienzweigen (der „Oslo-Phalanx und den „Bergensern“) geht es nicht nur um einfache Streitereien. Es geht nicht wirklich darum, ob eine Unterseemine die Prinsesse Ragnhild versenkte, oder ob Store Thor Falck nun Kollaborateur oder Widerstandskämpfer war und zurecht mit dem Kriegskreuz mit Schwertern ausgezeichnet wurde. Diese Probleme könnte man wohl mit einer Lüge zudecken, wie so viele andere auch. Es geht auch nur zweitrangig um Veras Testament. Es geht vielmehr um Macht in Wirtschaft und Politik im In- und Ausland, denn das Falck-Familienimperium, die SAGA-Gruppe ist hervorragend vernetzt und schwerreich und der politische Einfluss reicht bis in die Welt der Geheimdienste.

Obwohl das Testament als „Buch im Buch“ verarbeitet, endet „Meeresfriedhof“ mit einem Cliffhanger und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Teil. Sprachlich und stilistisch war das Buch nach meinem Geschmack: schnörkellos und trotzdem bildgewaltig mit subtiler, intelligent aufgebauter Spannung. Ich empfehle das Buch allen, die gerne komplexe und vielschichtige Geschichten mit politischen, historischen und familiären Verstrickungen lesen. Die Erzählung ist dicht und bis auf ein paar Längen packend erzählt. Vor allem, weil das Buch zum Teil auf wahren Ereignissen beruht, war es für mich ein Highlight. Von mir fünf Sterne.

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