Seit meiner ersten „Begegnung“ mit Johan Rokka in „Der Schmetterling“ bin ich ein Fan der schwedischen Krimi-Serie von Gabriella Ullberg Westin, deren Protagonist er ist. Mit „Der letzte Atemzug“ hat die Autorin bereits den sechsten Teil der Reihe vorgelegt und das Buch hat mich, wie erwartet, in seinen Bann gezogen. Stilistisch ist es genauso das, was ich mag. Am Inhalt hatte ich zugegebenermaßen etwas zu knabbern. Schweden droht der Ausbruch einer Pandemie und da wir uns ja immer noch mitten in der Corona-Pandemie befinden, musste ich an vielen Stellen heftig schlucken. Dennoch: für mich war es ein spannender und bedrückend aktueller Krimi mit einigem aus dem Privatleben (auch aus der Vergangenheit) der Ermittler Johan Rokka und Janna Weissmann.
Aber von vorn.
Eine junge Frau kommt verletzt in die Notaufnahme des
Krankenhauses von Hudiksvall. Sie verweigert jegliche Auskunft, sowohl zu ihrer
Identität als auch zur Herkunft ihrer Verletzungen. Parallel dazu ist die
Beziehung zwischen Kriminalinspektor Johan Rokka und der Kriminaltechnikerin
Janna Weismann kompliziert. Die beiden, die sich zwischenzeitlich nähergekommen
waren, gehen getrennte Wege. Rokka hat
mit der ehemaligen Krankenschwester und jetzigen Yoga-Lehrerin Elina eine
Partnerin gefunden. In letzter Zeit wurden einige Frauen in der Abenddämmerung
überfallen, eines Abends trifft es auch Janna. Ihre Hündin Jazz kann Schlimmeres
verhindern, wird aber kurze Zeit später vergiftet. Sind es dieselben Täter wie
bei den anderen Frauen oder stecken bei dem Überfall auf Janna andere Motive
dahinter? Die Unbekannte im Krankenhaus wird zunehmend kränker und nach und
nach wird allen klar: sie könnte Patient 0 einer neuen Pandemie sein, denn ihre
Symptome weisen auf eine Art Pockeninfektion hin. Mit wem war die Patientin in
Kontakt? Wie groß ist die Gefahr der Pandemie tatsächlich? Bei den Ermittlungen
läuft Rokka und seinen Kollegen die Zeit davon.
„Der letzte Atemzug“ erschien im Original im März 2020, ganz
zu Anfang der Corona-Pandemie. Auch deswegen fand ich das Buch zum Teil schwere
Kost. Der Umgang mit (drohenden) Pandemien, die Naivität, gut vorbereitet zu
sein – das alles war für mich schwer zu ertragen, vor allem mit Hinblick auf
den schwedischen „Sonderweg“ bei der Corona-Pandemie, der unzählige Menschen
das Leben gekostet hat. Das hat aber direkt nichts mit dem Buch zu tun. Das
fand ich sehr spannend und gut und stimmig ausgearbeitet, der Spannungsbogen
war für mich fast konstant sehr hoch. Sprachlich fand ich es sehr ansprechend,
die Beschreibungen sind bildhaft und bei den medizinischen und biologischen
Details konnte ich keine Fehler finden. Die Protagonisten sind wie gute alte
Bekannte, die seit dem ersten Teil der Serie weiterentwickelt werden. So waren
für mich die Exkurse ins Privatleben von Rokka und Janna angenehme Pausen von
der nach und nach immer stärker werdenden Spannung. Pelle Almén kam für mich
ein bisschen zu kurz, er fällt hauptsächlich durch seine Germophobie auf und
ist immer auf der Suche nach Desinfektionsmittel. Ihn wollte ich anbrüllen:
„Handdesinfektion hilft nicht bei luftübertragenenen Viren!“
Der Schluss nach einigen interessanten Plot Twists war schlüssig
und natürlich darf ein Cliffhanger nicht fehlen. Erzählt ist die Geschichte aus
verschiedenen Perspektiven von einem neutralen Erzähler, so ist die Leserschaft
beispielsweise einerseits der Polizei bei den Plänen des Täters einen Schritt
voraus, tappt aber hinsichtlich seiner Identität und Motive genauso im Dunklen
wie die Ermittler. Zwar hatte ich früh
eine Ahnung, worauf alles hinauslaufen würde, manche Zusammenhänge haben mich
aber trotzdem überrascht. Es ist der sechste Teil der Reihe, man kann ihn
problemlos ohne Vorkenntnisse lesen, die anderen Bücher sind aber ebenso
lesenswert und die Beziehung zwischen Rokka und Janna kann man sicher besser
verstehen, wenn man Hintergründe kennt. Ich fand „Der letzte Atemzug“ spannend und
bedrückend realistisch. Von mir gibt es fünf Sterne.
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