Dass man als Literaturkritiker gefährlich lebt, war mir bislang nicht bewusst. Konrad Otze, das Opfer in Eva Ehleys elftem Sylt-Krimi „Bitteres Ende“, ist Literaturkritiker und lebte von Verrissen. Aus einer Menge Verdächtigen strickt die Autorin einen mäßig spannenden und mäßig logischen Krimi, der mich eher unbefriedigt zurücklässt. Am ehesten hat mich noch die Beschreibung der Landschaft aus Sylt überzeugt.
Aber von vorn.
Ein einwöchiges literarisches Colloquium endet damit, dass der anwesende Literaturkritiker Konrad Otze an der Kampener Vogelkoje mit sechs im Körper steckenden Messern aufgefunden wird. Die Rettungskräfte können ihn nur noch tot bergen. Die örtlichen Kommissare Silja Blanck, Bastian Kreuzer und Sven Winterberg fangen an zu ermitteln. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf den sechs Teilnehmenden des Colloquiums, da Otze als Kritiker jeden davon gegen sich aufgebracht hatte. War es die Kinderbuchautorin oder der empfindsam scheinende Lyriker? Die Talkmasterin, die Ratgeberautorin oder doch die Nachwuchsautorin? Da die Ermittelnden bei der schreibenden Zunft in einer Sackgasse stecken, müssen sie den Kreis der Verdächtigen auch auf die Mitarbeitenden der Cateringfirma erweitern. Über allem steht aber die Frage nach dem Motiv.
Nachdem ich von „Böser Abschied“ aus der Sylt-Krimi Reihe von Eva Ehley sehr angetan war, war ich auf „Bitteres Ende“ sehr gespannt. Mehrfach musste ich nachsehen, ob es von derselben Autorin stammt und ob es dieselben Ermittelnden sind. Was wurde aus dem kompetenten Gespann des Buchs, das ich so gern gelesen habe? Wurden die Personen in der Zwischenzeit ausgetauscht? Bastian Kreuzer weiß nicht, was GHB ist? Er hat noch nie von den bekanntesten aller KO-Tropfen gehört? Staatsanwältin Elsbeth von Bispingen sagt ernsthaft „Also ein vorsätzlicher Mord“. Ach herrje. Mord setzt immer Vorsatz voraus – so will es das Gesetz! Hätte es mich nicht brennend interessiert, wer den Literaturkritiker ermordet hat, hätte ich spätestens an der Stelle aufgehört zu lesen.
Insgesamt ist der Spannungsbogen bei dem Buch nicht übermäßig hoch, aber doch so hoch, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht. Sprachlich ist es angenehm zu lesen, die Charaktere blieben mir dieses Mal sehr fremd. Bei den Ermittlungen scheint oft der Zufall sehr viel nachzuhelfen, da bin ich von der Autorin besseres gewohnt, das Ermittlerteam wirkt an vielen Stellen eher inkompetent und hilflos. Die Teilnehmer des Colloquiums sind sehr klischeehaft dargestellt, wobei ich mich bei der Lektüre die ganze Zeit gefragt habe, ob das ein charmantes Element ist oder schlicht platt. Schon die Zusammenstellung der Vertreter der verschiedenen Genres ist so stereotyp, dass ich mich noch am ehesten mit dem Inseljournalisten Fred Hübner anfreunden konnte, der als einziger authentisch wirkt und weiß, was er tut und auch, was er will.
Sprachlich liegt mir das Buch zum Teil nicht wirklich. Da werden unter anderem Verabredungen und Telefongespräche gecancelt, Telefonate werden aber auch durch „Abhängen“ beendet. Der Schluss des Buchs ist okay und stimmig, wenn auch für mich wirklich weit hergeholt und ein bisschen sehr melodramatisch ist. Nach sehr viel Herumgestochere im Sylter Nebel kommt er für mich auch ein bisschen plötzlich, insgesamt umfasst die Handlung vier Tage. Aber es bleiben keine Fragen offen, das ist ja auch viel wert, zumal der 12. Teil der Reihe schon im Regal auf mich wartet. Ich hoffe, der kann mich wieder mehr packen, für „Bitteres Ende“ gibt es von mir drei Sterne.
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